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Lolli

Aktualisiert: 25. Juli

Diagnose: Aussichtslos

Ergebnis: Lebendig



Lolli bewegte sich zum Zeitpunkt der Aufnahmen in einem 3 m-Radius. Das lahmende Pferd wurde zuvor tierärztlich klinisch diagnostiziert und mehrfach zum Beschlagen in die Klinik gefahren – um letztlich mit der Aussage entlassen zu werden, dass man für ihn nichts mehr tun könne.


Manchmal erlebt man Dinge, die sind einfach nicht der Rede wert. Und manchmal ist man Teil einer Geschichte, von der man weiß, dass man sie unbedingt erzählen sollte.


Lolli war sechs Jahre alt, ungeritten, als er mit unklaren diffusen Lahmheiten zur weiteren Diagnostik in einer renommierten Reheklinik vorgestellt wurde.


Die Diagnose der Klinik: "Palmar-Foot-Syndrom".

Mehrfach wurde er zum Beschlagen dorthin gebracht.

Das Ergebnis:






Ein Beschlag, der völlig unvertretbar war. Bilder, die fassungslos machten.



Die letzte Bearbeitung dort war besonders dramatisch: Lolli musste sediert werden, er zeigte sich nicht mehr kooperativ, wollte nicht mehr auf drei Beinen stehen.

Nachdem das Pferd weiterhin nicht laufen wollte, und sich der Zustand zunehmend verschlechterte, war die Empfehlung der Klinik: Euthanasie.


Die "Empfehlung" stützte sich im Wesentlichen auf zwei Argumente:

  • Zum einen die ergebnislose Hufbearbeitung, die in einem unhaltbaren Zustand endete.

  • Zum anderen die Diagnose "Palmar-Foot-Syndrom" – ein Begriff, der mit "Lahmheit der hinteren Hufregion" oder "Hufrollensyndrom" übersetzt werden kann, jedoch keine klaren Befunde liefert.




Kann man das verantworten?

Nach dem Anruf der Besitzer ließen wir uns alle Unterlagen und Aufnahmen schicken, plus aktueller Fotos und Videos.

Wir "studierten" den Verlauf. Und bei näherer Betrachtung fiel aus "Bearbeiter-Sicht" auf: Das Problem war nicht das Strahlbein. Es war die massive, jahrelang unbehandelte Fehlstellung. Die Lage des Hufbeins glich einer Rotation (Belastungsrehe) und zeigte eine Osteolyse. Die Sohle war papierdünn. Die Hornkapsel instabil.

Die vorhergehenden Bearbeitungen hatten keine Entlastung geschaffen, sondern vermutlich über Jahre hinweg die Statik verschlechtert. Die Beschläge wirkten potenziell schädigend statt schützend.

Das "Hufrollensyndrom" war nicht ursächlich, die strukturellen Veränderungen waren sekundär.

Dies war ganz klar eine mechanische Dekompensation und ein medizinisches und fachliches Desaster.

Es war nicht 5 vor 12, sondern 10 nach.



Als wir Lolli und seine Stallkollegin Curcuma erreichten, stand er an seinem Heuplatz bei offener Stalltür und bewegte sich keinen Schritt. Nach der Begrüßung und dem persönlichen Austausch mit den Besitzern, begann die Hufbearbeitung.

Mit Zeit, mit Zielsetzung, mit Verständnis für Pferd und Huf.



Es war eine emotionale Begegnung:

Lolli schnupperte - die Besitzer wurden muck mäuschen still - er prüfte, und hob schließlich freiwillig Huf für Huf. Er kooperierte. Ohne Sedierung. Aus freien Stücken. In seinem Tempo.

Ein Pferd, das kaum noch stehen konnte, arbeitete aktiv mit. Stück für Stück, mit kleinen Pausen und spürbarem Vertrauen.

Schon beim ersten Termin veränderte sich etwas im Ausdruck: mehr Stand, ein wacherer Blick.


Als der neue Beschlag saß, wir bereits am Auto standen Richtung Heimweg, wagte Lolli seine ersten Schritte über den alten 3 m-Radius hinaus, blieb plötzlich stehen und drehte den Kopf nach hinten. Er schaute uns an und es war als blinzelte er uns zu und nickte langsam mit dem Kopf, kaum sichtbar. Dann ging er weiter.

Ein Moment, der hängen bleibt.



Fünf Wochen später:

  • Der Beschlag war stabil geblieben.

  • Die Gangmechanik hatte sich verbessert.

  • Die Hufe begannen sich zu regenerieren.


Nach zehn Wochen:

  • Lolli trabte erstmals wieder über die Wiese.


Nach fünfzehn Wochen:

  • Er traute sich in unserem Beisein einen kleinen Buckler zu und galoppierte drei vier Sprünge zur Weide hin.


Für die Besitzer (und uns) war das spektakulär emotional.

Fachlich "nur logisch" und nachvollziehbar.

Für Lolli bedeutete es Leben.



Nach rund 7 Monaten fand sich ein kompetenter Kollege in Lollis Nähe und wir konnten ihn guten Gewissens mit weitgehend ordentlichen Hufen "übergeben".







Fazit:

Ein Fall, der exemplarisch zeigt, wie wichtig es ist, nicht auf Sammelbegriffen und "Routine" zu beharren, sondern individuelle Ursachen zu suchen.

Wenn (tierärztliche) Befunde nicht weiterhelfen, lohnt es sich, mechanisch zu denken. Anatomisch. Bewegungsorientiert. Nicht dogmatisch.

Spätestens dann zeigt sich, wie entscheidend eine verantwortungsvolle Hufbearbeitung ist.


Lolli ist der lebende Beweis. Nach nunmehr drei Jahren lebt er auf stabilen Hufen und freut sich seines Lebens.




Parallel dazu:

Curcuma – Lollis Stallkollegin – wurde in derselben Klinik mit derselben Diagnose entlassen: "Palmar-Foot-Syndrom". Auch sie zeigte unklare Lahmheiten und Verhaltensauffälligkeiten. Doch andere als Lolli. Mehr dazu im Beitrag: „Hufe wegziehen – Unerzogen oder stiller Schmerz?“


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